Ruth Fendel
Ich fand früh heraus, dass es mich nicht zufriedenstellte, Prominente wie Boris Becker, Udo Lindenberg, Michael Jackson oder den AC Mailand zu bewirten. Auch musste ich als Hotelfachfrau nicht zwingend in einer Metropole wie München arbeiten. Mein Ziel war es, als Gesicht eines eigenen Restaurants oder Hotels wahrgenommen zu werden. Durch einen Geschäftskontakt meines Vaters wurde ich auf den Merowinger Hof in Andernach aufmerksam. Ich habe mich direkt in das romantische Gebäude verliebt und war mir zu 100 Prozent sicher, dass dieser Betrieb meine erfolgreiche berufliche Karriere bedeuten wird. Ich verfügte über ein ausreichendes Startkapital, um den Merowinger Hof zu erwerben und das Geschäft nach und nach aufzubauen.
Gemeinsam mit Jens, mit dem ich bereits fünf Jahre vor dem Kauf des Hofes in fester Beziehung stand, machten wir uns auf den Weg nach Andernach und überlegten uns in einem Eiscafé in der Hochstraße, ob wir für die Andernacher Kultur die richtige Passung mitbringen. Wir bekamen ordentlich Bammel, trösteten uns aber mit dem Gedanken, dass wir in den ersten Monaten und Jahren sowieso keine Zeit bekommen würden, einen Fuß vor die Tür des Weinhofes zu setzen. Außerdem hatten wir geplant, das Geschäft nicht länger als 10 Jahre zu betreiben.
Auch wenn Jens und ich nach ein paar Jahren privat getrennte Wege gingen, wir haben bis zum heutigen Tag ein absolut, auf Vertrauen basierendes Geschäftsmodell, wie man es sich besser nicht vorstellen könnte.
Mit der Übernahme des Geschäfts und nun als Gesicht eines eigenen Betriebes kamen Aufgaben auf mich zu, mit denen ich bis zu diesem Zeitpunkt wenig zu tun hatte. Beispielsweise die Führung von Personal stellte erste hohe Anforderungen an mich. Hierbei scheine ich nicht allzu viel falsch gemacht zu haben, denn wir schauen von Beginn an auf ein stabiles Team ohne große Fluktuation. Die dienstälteste Mitarbeiterin arbeitet seit 35 Jahren im Merowinger Hof, davon 30 Jahre bei mir.
Mit Blick auf meine Wahlheimat kann ich sagen, dass hier noch alles bezahlbar ist. Nervig finde ich allein das Abfallmanagement der Stadt. Es wird zu wenig in Konzepte wie beispielsweise versenkbare Mülltonnen investiert. Offene und umherfliegende Müllsäcke und ständig präsente Mülltonnen auf den Straßen trüben regelmäßig das schöne Stadtbild von Andernach.
Wenn man mich fragen würde, wie ich mir optimale Gäste vorstelle, würde ich Merkmale wie Höflichkeit, Ehrlichkeit, Authentizität, Respekt und gute Manieren damit verbinden. Es sind Attribute, die Gäste auch von mir erwarten dürfen.
Man kann sagen, die Arbeit als Gastronomin führt zu vielen Entbehrungen. Vor der Übernahme gab es ein Hobby, dass ich mit großer Leidenschaft betrieb, die Laienschauspielerei. Da Proben und Vorstellungen immer in den Abendstunden stattfinden, musste ich diese großartige Freizeitbeschäftigung an den Nagel hängen. Es war mir immer klar, dass man in diesem Beruf nicht reich wird, jedoch bewegt sich mein Lebensstil in einer gewissen Comfort-Zone, in der ich mich mit meinem Mann sehr wohl fühle. So kann ich aus beruflicher Sicht resümieren, mir meine Bühne gebaut zu haben, um meinen Traumberuf auszuüben, Gastgeberin.